Interview mit Pia Präger zu Garten und Firmengelände

Bild des Autors erstellt am 18.07.2023
von CSCP / Ellen Land

Erschienen am 27.03.2023 und aktualisiert.

„Was wir schützen wollen, ist klein, schwarz und hässlich.“

Pia Präger ist leidenschaftliche Landschaftsgärtnerin mit eigenem Betrieb in Argenbühl im Westallgäu. Sie engagiert sich seit Jahren ehrenamtlich für mehr Biodiversität in ihrem beruflichen Umfeld. Ihr liegt dabei das Thema Ausbildung und Aufklärung besonders am Herzen. So inspiriert Frau Präger bei Vorträgen in Fachkreisen Ihre Zuhörer, wie auch das Redaktionsteam. Sie berät Ihre Kundinnen und Kunden schon seit Jahrzehnten zu naturnahen Gärten, Dach- und Fassadenbegrünungen und weiß über die Vorteile für Mitarbeitende und Kunden viel zu berichten. Sie ist unter anderem BGL-Vizepräsidentin mit dem Ressort Landschaftsgärtnerische Fachgebiete.

Welche Bemühungen sind bei Ihren Kunden leicht umzusetzen? Welche Vorschläge brauchen mehr Überzeugungskraft?

Die extensive Pflege ist hinsichtlich der Kosten immer ein überzeugendes Argument. Doch kostet es manche Kundinnen und Kunden trotzdem Überwindung, wenn die Wiese nicht dem englischen Rasen entspricht. Da hilft es, wenn wir klein anfangen: blühende Inseln im Rasen stehen lassen oder nur am Rand einen Streifen der Wiese mähen, so dass ersichtlich ist, dass es gepflegt wird. Zudem bewusst auch mal „wilde Ecken“ zulassen und in hinteren Bereichen des Gartens oder Firmengeländes dürfen auch Brennnesseln wachsen. Wichtig ist den Kundinnen und Kunden, dass man sieht, dass das Gelände nicht verwahrlost ist, sondern gepflegt wird.

Firmengelände MPG Mendener Präzisionsrohr GmbH

Wilde Ecken zulassen, Brennnessel ist gut für Schmetterlinge

Die Brennnessel ist mit die wichtigste Futterpflanze für Schmetterlinge und Falterarten. Bei Totholz hat es sich mittlerweile herumgesprochen, dass dieses für die Biodiversität einen wertvollen Beitrag leistet. Auch hinsichtlich Nisthilfen, der Umstellung von Beleuchtung, Regenwassermanagement und vogelsicheren Glasfronten sind die Kundinnen und Kunden in den letzten Jahren schon gut informiert und offen für Veränderungen.

Grüne Fassaden sind auch gut fürs Klima

Bei der Fassadenbegrünung existieren weiterhin große Vorurteile und resultieren aus unsachgemäßer Verwendung. Dabei sind begrünte Fassaden aus ästhetischen und ökologischen Gründen äußerst attraktiv.  Wissenschaftlich nachgewiesen sind die positiven Auswirkungen für das Kleinklima der Umgebung durch Strahlungsabsorption und Verdunstung. Auch die Abmilderung von Temperaturschwankungen unter begrünten Fassaden ist bauphysikalisch bedeutsam. Wenn wenig Platz für die Begrünung zur Verfügung steht, bieten Kletterpflanzen ideale Lösungen. Sie machen harte Hauskanten weich und nehmen hohen Fassaden ihre Wucht. Sie strukturieren Gartenteile und Straßenzüge und mit entsprechender Kombination lässt sich von April bis Oktober Blüte zaubern.

Fassadenbegrünung Clematis, Interview
Bodensee Stiftung naturnahe Liegenschaften

Was sind die drei Hauptargumente, die Ihren Kunden helfen, ihr Grundstück biodiverserer gestalten zu lassen?

Das Biodiversitäts-Engagement im eigenen Garten oder auf dem Firmengelände führt bei konsequenten Prozessen und Maßnahmen zu einem gesteigerten und sichtbaren, positiven Image. Dabei wirkt dieses nicht nur nach innen, sondern wirkt sich auch positiv auf die gesamte Wertschöpfungskette aus: auf Kunden und Kundinnen, Lieferanten, Dienstleister, die Nachbarschaft, Mitarbeitende und sogar bei der Suche nach Fachkräften. Es ist ein Teil des betrieblichen Umweltmanagements. Es ist damit die sichtbarste Möglichkeit, Nachhaltigkeit sichtbar zu machen.

 

1972 Grenzen des Wachstums Buch

Welches sind Ihre persönlichen Beweggründe, sich für Biodiversität zu engagieren?

Die „Naturgartenbewegung“ Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre war für mich Impuls, Landschaftsgärtnerin zu werden. Seitdem sehe ich es aus voller Überzeugung als leidenschaftliche Mission mich für naturnahe Gestaltung zu engagieren. Das heute herrschende Artensterben, Insektensterben und der Klimawandel wurden bereits zu dieser Zeit prognostiziert – ich erinnere nur an den Club of Rome der 1972 „die Grenzen des Wachstums“ beschrieben hat, sowie an das Buch „Der stumme Frühling“ von Rachel Carson aus dem Jahr 1962.

Begeisterung pflanzen: Wie schaffen Sie die Transformation in Ihrer Branche?

 

Der Klimawandel und der darauf begründete Green Deal der EU wird auch von den Betrieben des  Garten,- Landschafts- und Sportplatzbaus in vielerlei Hinsicht wesentliche Veränderungen erfordern. Denn nur weil wir viele Bäume pflanzen und viele Dächser begrünen, sind wir noch lange nicht die Guten.

Um die Prozesse der Nachhaltigkeit wie CO2 Reduzierung und die naturnahe Gestaltung von Gärten, Aussenbereichen und Grünanlagen voranzubringen und die Betriebe dabei mitzunehmen, sind wir in unserem Berufsverband auf Bundes- und Länderebene aktiv um Information, Aufklärung und Bildung bemüht. Die Erforderlichkeit alte Zöpfe abzuschneiden und eine Bewußtseinsveränderung herbeizuführen, stellt aber, wie allgemein in unserer Gesellschaft, dicke Bretter dar, die es zu bohren gilt – denn es erfordert eine Bereitschaft die eigene Komfortzone zu verlassen.

Durch die eigene Überzeugung, Begeisterung, Authentizität und Hartnäckigkeit merke ich aber, dass der Funke langsam aber sicher auf die Kolleginnen und Kollegen überspringt. Dankbar bin ich über die zunehmende und breite Unterstützung in unseren Verbänden und Organisationen.

Dachbegrünung auf Gebäuden
Grünfläche Park shutterstock_505867744

Zusammen forschen und bilden

In der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL), einem Regelwerkgeber für den Landschaftsbau, beschäftigen wir uns intensiv mit dem Thema Biodiversität. 2020 erschien der Fachbericht Bienenweide, eine Anleitung zur Verbesserung des Tracht- und Lebensraumangebotes für Bienen und andere Blüten besuchende Insekten.

Derzeit in Arbeit und voraussichtlich im Herbst wird der Fachbericht Biodiversität im Garten- und Landschaftsbau herausgegeben. Dieser beschreibt ökologische Zusammenhänge und dient als Leitfaden für den Bau und die Pflege naturnaher Gärten und Aussenanlagen.

Gemeinsam mit dem Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) liefern wir Informationen und Planungsgrundlagen zu begrünten Dächern, Fassaden und Innenraumbegrünung.

Die Broschüre „Naturnahe Gärten – natürlich schön“, die der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V. (BGL) 2020 herausgegeben hat, ist seither ein „Renner“ in der Branche und jedem Berichtsheft für Auszubildende beigelegt.

In den Themenbereichen Klimaanpassung, kommunales Grün, Biodiversität, Garten und Gesundheit etc. besteht enger Schulterschluss und intensive Zusammenarbeit des BGL mit dem Bund der Landschaftsarchitekten (bdla), dem Bund deutscher Baumschulen (BdB), der Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz (GALK), dem Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU), der Deutsche Gartenbau-Gesellschaft 1822 (DGG), der Bodensee-Stiftung und vielen mehr.

 

Welche Unterstützung würden Sie sich wünschen, um die Transformation schneller zu erreichen?

In erster Linie ist Bildung ein Schlüssel, die bereits in Kindergärten und Schulen beginnen sollte. Wie oben beschrieben arbeiten wir in allen grünen Verbänden daran und diese muss weiter intensiviert werden.

Die naturnahe Gestaltung sehe ich in direktem Zusammenhang mit der großen Thematik Nachhaltigkeit, die auch die drastische Reduzierung des CO2 Ausstosses und – auf Grund gestörter Lieferketten und Inflation – dem Komplex „reduce – reuse – recycle“ beinhalten muss. Hinzu kommt der Klimawandel. Für die Anpassung sind zukünftig andere Gestaltungskonzepte erforderlich, und da kann der Garten- und Landschaftsbau praktische Hilfe leisten.

Welches ist Ihr/e Lieblingspflanze, -Tier und -Ökosystem?

 

Spendet Wärme und ist immergrün

Da gibt es sehr, sehr viele. Herausstellen möchte ich Helleborus foetidus, die palmblättrige Nieswurz, eine wunderbare Strukturpflanze, immergrün mit breiter Standortamplitude, und zudem wird der Zucker in der frühen Blüte im März in Wärme umgewandelt. Diese Wärme nutzen die Hummeln, um sich aufzuwärmen.

Das Lieblingsökosystem ist der Gehölzrand: es ist der weiche Übergang von Bäumen, die eine Kernzone bilden, zu den Strauchstrukturen, die den Mantel bilden und in einen Krautsaum übergehen. Je vollständiger und besser ausgebildet diese Abfolge ist, desto wirksamer wird der ökologische Effekt. Hecken bieten Vögeln Nistmöglichkeiten, Schutz und Nahrung in Form von Beeren. Im vorgelagerten Saum lebt die Insektennahrung der Vögel.

Natur: Waldrand Pixabay Waldrand

Wie finden Kunden den richtigen Landschaftsgärtner, worauf können sie achten?

Der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. hat auf seiner Webseite (www.galabau.de) eine Rubrik „Fachbetriebssuche“ installiert. Dort kann man unter anderem Betriebe mit besonderen Erfahrungen zum Beispiel in der Gestaltung von naturnahen Gärten und Dach- und Fassadenbegrünung finden. Diese Suche ist kostenfrei und gibt einen guten Überblick.

Zu Pia Prägers Ehrenämtern:

  • Mitglied der BASEG (Bundesarbeitsgemeinschaft selbstverwalteter Gartenbaubetriebe), seit 2000
  • Mitglied im Präsidium des VGL Bayern e.V., 2014 – 2021
  • Mitarbeit im FLL- Arbeitskreis „Bienenweide“, 2016 – 2020
  • Mitarbeit im FLL-Arbeitskreises „Naturnahe Gärten / Biodiversität“, seit 2020
  • Leitung des Ausschusses Biodiversität VGL Bayern e.V., seit 2020
    Vizepräsidentin des BGL und Vorsitzende des BGL Ausschusses landschaftsgärtnerische Fachgebiete, seit 2021
  • Beisitzerin im Präsidium der FLL, seit 2022
Pia Präger Galabau Interview

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