Kakao – Ohne Mücke geht es nicht

Bild des Autors erstellt am 30.03.2023
von DIHK Service

Der Schokoladenhersteller Ritter Sport baut Kakao auf einer eigenen Plantage in Nicaragua an. Im Interview erzählt Georg Hoffmann, Nachhaltigkeitsmanager bei Ritter Sport, warum Monokultur dort ausgedient hat und Mücken stets willkommen sind.

Ritter Sport Plantage Kakao Mücke

 

Herr Hoffmann, woher bekommt Ritter Sport den Kakao für die Schokolade?

Wir beziehen ausschließlich zertifiziert nachhaltigen Kakao nach Rainforest Alliance und Fairtrade für unser gesamtes Ritter-Sport-Sortiment.  Unser Kakao kommt aus Nicaragua, Peru, Ghana, Nigeria und der Elfenbeinküste. Seit diesem Jahr ist er zudem zu 100 Prozent bis zur Erzeugerorganisation rückverfolgbar.

 

Wie können Sie die Lieferkette des Kakaos zurückverfolgen?

Unser gesamter Kakao ist zertifiziert und nach dem Status der Segregation bezogen. Das bedeutet, er stammt von ausgewählten und zertifizierten Farmen. Diese Farmen liefern den Kakao zu ihrer Erzeugerorganisation, dort wird er gewogen und jeder Sack wird mit einem individuellen Code versehen. So lässt sich der Kakao in der weiteren Lieferkette verfolgen und wir wissen, welche Charge unserer Kakaomasselieferung wir von welcher Erzeugerorganisation erhalten.

Haben Sie Verträge mit einzelnen Kakaobauern oder mit Zusammenschlüssen von Farmerinnen und Farmern?

Nicht mit einzelnen Bauern, sondern immer mit Zusammenschlüssen, sogenannten Kooperativen. Das können zwischen 200 und 800 Farmerinnen und Farmer sein. Das sind Familienunternehmen, also Kleinbauern mit einem bis fünf Hektar Land. Bei Kakao gibt es kaum Großplantagen.

 

Ritter Sport hat eine Großplantage in Nicaragua.

2012 haben wir im Süden Nicaraguas Brachland gekauft und dort eine der größten Plantagen weltweit für Kakao aufgebaut. Auf 2500 Hektar Fläche werden nur rund 1200 Hektar mit Kakao in einer Mischkultur, also Agroforstwirtschaft, bepflanzt. Die anderen 1200 Hektar sind Primärwälder, aufgeforstete Tierbrücken und Feucht- und Flussgebiete. Rund 100 Hektar entfallen auf die notwendige Infrastruktur wie Straßen, Gebäude oder Brücken.

 

Warum haben Sie sich für eine eigene Plantage entschieden?

Zertifizierungen sind schön und gut. Aber sie bleiben eine Black Box und für uns immer nur eine Mindestanforderung an unseren Kakao. Auf El Cacao haben wir es selbst in der Hand. Dort können wir den Kakaoanbau noch einmal von Grund auf durchdenken und hinterfragen. Wir bieten als Unternehmen dort sichere Arbeitsplätze, faire Löhne und umfassende Sozialleistungen, so dass sich die Lebensumstände der Mitarbeitenden vor Ort insgesamt verbessern.

Sie haben kein Vertrauen in Siegel?

Doch. Sie sollten aber nur eine Mindestanforderung, nicht das Ziel einer Sourcing-Strategie sein. Denn was kommt, nachdem die Farmerinnen und Farmer ihre Bohnen einem Zwischenhändler verkauft haben? Da kann viel passieren.

 

Was zum Beispiel?

Leider alles, was Sie sich vorstellen können. Schlechte Bezahlung der LKW-Fahrerinnen und -Fahrer, die die Kakaobohnen zum Schiff bringen oder Menschenrechtsverletzungen auf dem Schiff, das die Bohnen transportiert. Und das alles gibt es trotz Zertifizierungen. Man muss sich daher zwingend die ganze Produktionskette ansehen und als Unternehmen Verantwortung übernehmen.

 

Wie kontrollieren Sie Ihre Kette?

Wir kennen die Akteure unserer Lieferkette und arbeiten langfristig mit unseren Partnerinnen und Partnern zusammen. Das schafft Vertrauen, Verlässlichkeit und für alle ein gewisses Maß an Sicherheit. Den Landtransport können wir so gut überblicken, aber da ist noch der Seeweg. Selbst unser ganzer Jahresbedarf an Kakao würde auf einem Schiff nicht auffallen und so haben wir als mittelständisches Unternehmen leider keinen großen Einfluss darauf, was dort passiert.

 

Durch die eigene Plantage und den Direktkauf bei den Kooperativen machen Sie sich zudem unabhängig von den Marktpreisen.

Wir machen uns unabhängig von den Zwischenhändlern und der Börse. Und wir zahlen den Farmerinnen und Farmern fairere Preise. Ganz ehrlich, warum sollte ein Farmer bei Kakao bleiben? Wenn er auf der Fläche beispielsweise Palmöl anbaut, kann er den vierfachen Ertrag erreichen. Daher wollen wir Anreize schaffen und die Bäuerinnen und Bauern beim nachhaltigen Kakaoanbau unterstützen. Durch agroforstwirtschaftliche Anbaumethoden beispielsweise können Bäuerinnen und Bauern, bei gleichbleibender Fläche, durch den Anbau verschiedener Pflanzenarten höhere Erträge erzielen.

 

Welche Rolle spielt die Biodiversität für den Anbau von Kakao?

Monokulturen veröden die Böden und hungern sie aus. Sie verarmen an Nährstoffen. Monokultur bedeutet auch weniger Insekten und ein höheres Risiko für Ernteausfälle durch Schädlinge oder Pilze. Wir haben auf unserer Plantage im Grunde einen bewirtschafteten Wald und bauen zwölf Sorten Kakao und dazwischen Bananen und Kaffee an. Das kommt auch der Artenvielfalt zugute und so fühlen sich rund 220 unterschiedliche Tier- und Pflanzenarten auf El Cacao heimisch. Mit Mischkulturen steigen demnach die Chancen, dass die Vielfalt an Pflanzen und Tieren zurückkehrt.

 

Sehen Sie das auch auf Ihrer Plantage?

Wir wissen, dass die Brüllaffen zurückgekommen sind und wir haben die erste Großkatze gesichtet, was uns unglaublich freut. Inzwischen haben wir den dritten Biodiversitätsbericht von der Universität Managua bekommen und können zeigen, dass die Artenvielfalt definitiv steigt und durch unsere Art des Anbaus die Bodenerosion deutlich gesunken ist. Es gibt tatsächlich auch nur drei Insekten, die Kakao befruchten. Darunter ist eine Mücke, die uns den Ertrag garantiert. Wir würden uns daher ins eigene Fleisch schneiden, wenn wir wie wild Herbizide nutzen. Denn sie würden auch die Mücke treffen.

Ritter Sport Hoffmann Georg Mücke

Georg Hoffmann

Alfred Ritter GmbH & Co. KG

Petra Fix

Alfred-Ritter-Straße 25

71111 Waldenbuch

Tel.: +49 (0)7157 – 97-673

E-Mail: presse@ritter-sport.de

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