Keine Angst vor einem Dachschaden

Bild des Autors erstellt am 21.02.2023
von DIHK Service

Interview mit Dr. Gunter Mann – Präsident vom Bundesverband GebäudeGrün e.V.

 

Im Interview erfahren wir von Dr. Gunter Mann, Biologe und leidenschaftlicher Netzwerker der Branche, wie begrünte Dächer und Fassaden Leben retten, Überflutungen verhindern können und wo noch riesige Potenziale schlummern.

Herr Dr. Mann, in den vergangenen drei Jahren hatten Themen wie die biologische Vielfalt keinen leichten Stand neben der Corona-Pandemie, Krieg in Europa und der Energiekrise. Wie nehmen Sie das Interesse an dem Thema Gebäudebegrünung wahr?

Das Thema ist trotz dieser ganzen anderen Themen verstärkt in der Presse gewesen. Ich will nicht von einem „Hype“ sprechen, aber die bedauerlichen Überflutungsbilder in Städten und die steigende Anzahl der Hitzetoten haben dem Thema Fassaden- und Dachbegrünung zu mehr Aufmerksamkeit in den Medien und auch in der Politik verholfen – quasi als Klimafolgen-Anpassungsmaßnahmen.

 

Ganz praktisch gefragt: Wie kann eine Begrünung der Dächer sowie Fassaden bei Rekordhitze, Überflutungen und Hochwasser helfen?

Durch den Klimawandel erleben wir immer heftigere Regengüsse. Das viele Regenwasser kann vielerorts nirgends mehr vernünftig versickern oder abfließen, weil viele Flächen gerade in den Städten und Industriegebieten durch Bebauung versiegelt sind. Begrünte Dächer können Wasser speichern und verdunsten und dadurch die Kanalisation entlasten, die heute schon oft an ihre Grenzen kommt.

 

Somit lassen sich auch unter Umständen Abwassergebühren – bei Städten mit gesplitteter Abwassergebühr – Kosten für Rohr- und Kanaldimensionierung sowie für teilweise notwendige Regenwasserrückhaltebecken reduzieren. Durch die Beschattung und Verdunstung des gespeicherten Wassers kühlt sich außerdem die Umgebung ab. Und ganz nebenbei werden Schadstoffe und Staub aus der Luft gefiltert und gebunden.

 

Bei der Fassade ist es ähnlich. Die begrünte Fassade kühlt die Umgebungsluft um ein bis drei Grad runter und spendet dem Innenraum ganz automatisch Schatten. Nebenbei ist die Fassadenbegrünung auch ein Lärmschutz.

Das klingt, als gäbe es eigentlich nur Vorteile. Doch wenn man sich so umschaut, sind die meisten Dächer nicht grün. Was sagt die Statistik? Warum sind die Dächer und Fassaden in Deutschland noch nicht alle begrünt?  

Leider gibt es nicht wie bei PV-Anlagen eine Mitteilungspflicht. Wir gehen davon aus, dass in Deutschland im Jahr 2021 insgesamt eine Fläche so groß wie ca. 1200 Fußballfelder (Anmerkung der Redaktion: 8.681.416 m²) an Dachbegrünungen neu hinzugekommen sind. Die Tendenz ist leicht steigend. Damit liegt Deutschland vermutlich weltweit an der Spitze. Das hört sich erst einmal gut an, doch bei angenommenen 90.000.000 Quadratmetern neu entstandener Flachdachfläche sind das nicht einmal zehn Prozent. Das heißt 2021 blieben etwa 90 Prozent der neuen Flachdachflächen unbegrünt. Allein das ist schon ein enormes ungenutztes Potenzial.

Was denken Sie, woran liegt das?

Es gibt noch viel Unwissenheit und dadurch Unsicherheit. Beispielsweise wird oft angenommen, dass Schäden bei einem begrünten Dach schwieriger zu lokalisieren sind als bei einem normalen Dach. Hier hat sich die Technik aber stark weiterentwickelt. Mit Elektroimpulsverfahren können Fachleute Leckagen mittlerweile sehr gut orten. Viele Dachdecker*innen bestätigen mittlerweile auch, dass begrünte Dächer gut 20 bis 25 Jahre ohne Reparatur auskommen – bei unbegrünten sind es durchschnittlich 15 Jahre.

 

Darüber hinaus sind es Mehrkosten, die erst mittelfristig Effekte erzielen. Einer der größten Mehrwerte neben den energetischen Vorteilen ist der Wohlfühlaspekt. Und der ist schwer messbar.

Wird die Gebäudebegrünung genug gefördert?

Es gibt auf Länder- und Kommunalebene schon eine ganze Menge Förderungen, die man auch bei uns im Marktreport 2022 genau nachlesen kann. Es gibt durch die kommunalen Bebauungsauflagen schon eine Art Zwang, Mindestanforderungen der Biodiversität einzuhalten beim Bau bzw. einer Sanierung. Ich denke, Unternehmen die mehr machen wollen, als diese Vorgaben einzuhalten, sollten Zugang zu Fördermitteln haben. Hier geht politisch noch mehr.

 

Wo sehen Sie Potenziale für die Zukunft?

Der Ausbau der PV-Anlagen kann eine große Chance für die Dachbegrünung sein. Die Synergieeffekte sind nicht von der Hand zu weisen. Wer nachrüstet, kann die PV-Module mit der Dachbegrünung befestigen lassen und erspart dadurch ungeliebte Löcher im Dach selbst. Der Ertrag einer Anlage wird durch die indirekte Kühlung durch Verdunstung sogar um vier bis acht Prozent gesteigert.

 

Save the Date für den Kalender: Weltkongress zum Thema Gebäudebegrünung am 27 bis 29. Juni 2023 in Berlin. Infos auf der Homepage vom Bundesverband GebäudeGrün e.V.

Bundesverband GebäudeGrün e.V.

Das Interview wurde von der DIHK Service mit Herrn Mann geführt.

Hier sind seine Kontaktdaten:

 

Dr. Gunter Mann

Bundesverband GebäudeGrün e.V.

Präsident & Geschäftsführer

Diplom Biologe. Diplom- und Doktorarbeit zu Tieren auf begrünten Dächern, längjährig Präsident der Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e. V. (FBB)

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