Wirtschaft mit Weitblick: Wie Unternehmen und Finanzmärkte Biodiversität stärken können

Bild des Autors erstellt am 06.05.2025
von Global Nature Fund

Biodiversität ist mehr als ein ökologisches Thema – sie ist eine wirtschaftliche Grundlage. Unternehmen brauchen Rohstoffe, sauberes Wasser, gesunde Böden, ein stabiles Klima. All das stellt die Natur bereit – scheinbar kostenlos. Doch intakte Ökosysteme sind zunehmend bedroht. Und mit ihnen auch die Geschäftsmodelle, die auf ihnen aufbauen.

Trotz wachsender Aufmerksamkeit in Wissenschaft und Gesellschaft bleibt die biologische Vielfalt in großen Teilen der Wirtschaft und des Finanzsystems ein Randthema. Um das zu ändern, braucht es systematische Strategien – sowohl in Unternehmen als auch bei Finanzakteuren. Auch die Politik ist gefordert, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Ein neues Positionspapier des Sustainable Finance-Beirats der deutschen Bundesregierung (SFB) liefert dafür konkrete Impulse. Es zeigt auf, wie Biodiversität im Zusammenspiel von Wirtschaft, Finanzsystem und politischer Steuerung sichtbar, messbar und handlungsleitend werden kann. Die Empfehlungen konzentrieren sich auf drei Bereiche: Realwirtschaft, Finanzmärkte und Dateninfrastruktur zur Erfassung und Steuerung biodiversitätsbezogener Risiken und Chancen.

Realwirtschaft: Biodiversität strategisch verankern

Viele Branchen – von der Landwirtschaft über Energie bis hin zum Bau – profitieren täglich von intakten Ökosystemen. Gleichzeitig tragen sie durch ihre Aktivitäten erheblich zum Verlust dieser natürlichen Lebensgrundlagen bei.

Der Beirat fordert deshalb, dass Unternehmen Biodiversität nicht nur als Umweltthema, sondern als zentralen ökonomischen Faktor begreifen. Dazu gehört, biodiversitätsbezogene Auswirkungen, Abhängigkeiten, Risiken und Chancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette systematisch zu erfassen und zu bewerten. Ebenso wichtig ist die Verzahnung mit bestehenden Klimastrategien sowie die Verankerung biodiversitätsbezogener Aspekte in die übergeordnete Unternehmensstrategie – ein zentraler Beitrag zur Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit.

Der SFB empfiehlt einen sektorspezifischen Ansatz. Auf Basis einer Analyse des World Economic Forum hebt das Positionspapier jene Branchen hervor, die besonders gefordert sind: Agrar- und Ernährungswirtschaft, Chemische Industrie, Bauwirtschaft inkl. Baumaterialien (Zement und Beton), Energieversorgung, Mode- und Bekleidungsindustrie, Finanzdienstleistungen, Forstwirtschaft und -produkte, Haushalts- und Körperpflegeprodukte, Reisen und Tourismus, Abfallwirtschaft sowie Wasserversorgung und -dienstleistungen.

Diese Sektoren sind entweder besonders stark auf intakte Ökosysteme angewiesen oder wirken als besonders starke Treiber des Biodiversitätsverlustes. Das macht sie auch mit Blick auf Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen zu zentralen Akteuren.

Empfohlene Maßnahmen für Unternehmen:

 

  • Erfassung und Bewertung von biodiversitätsbezogenen Auswirkungen, Abhängigkeiten, Risiken und Chancen entlang der Wertschöpfungskette
  • Verzahnung von Biodiversitäts- und Klimastrategien, um Synergien zu nutzen und Zielkonflikte zu vermeiden
  • Verankerung von Biodiversitätsaspekten in Unternehmensstrategien, inklusive Governance und operative Umsetzung

Diese Schritte ermöglichen es Unternehmen, ökologische Verantwortung mit langfristigem ökonomischem Nutzen zu verbinden.

Finanzwirtschaft: Risiken erkennen und Chancen nutzen

Auch die Finanzbranche beeinflusst Biodiversität – mit jeder Investition, jeder Finanzierung und jeder Portfoliosteuerung.

Der Sustainable Finance-Beirat fordert, biodiversitätsbezogene Aspekte stärker im Risikomanagement und in der Geschäftsentwicklung zu berücksichtigen – und gleichzeitig neue Chancen zu nutzen, etwa durch die Finanzierung von Maßnahmen zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme.

Der Sustainable Finance-Beirat empfiehlt darüber hinaus, biodiversitätsbezogene Aspekte systematisch in Strategien, Analysen und Entscheidungsprozesse zu integrieren. Denn der Verlust biologischer Vielfalt stellt ein wachsendes Risiko für Investoren und Finanzierer dar – gleichzeitig entstehen neue Geschäftsfelder, etwa durch die Finanzierung von Renaturierungsmaßnahmen.

Handlungsempfehlungen des SFB für Finanzmarktakteure:

 

  • Datenbasis schaffen: Die Erfassung von Daten zu Auswirkungen auf und Abhängigkeiten von Ökosystemleistungen der investieren/finanzierten Unternehmen und Projekte müssen erhoben und ausgewertet werden.
  • Zielsetzungen definieren: Frameworks wie die Science-based Targets for Nature bieten eine fundierte Grundlage für ambitionierte Strategien.
  • Risikomanagement erweitern: Biodiversitätsrisiken sind zunehmend relevant für aufsichtsrechtliche Anforderungen.
  • Dialog mit Unternehmen: Finanzakteure sollten Biodiversität auch im Engagement mit Geschäftspartnern adressieren.
  • Kompetenzen aufbauen: Fachwissen und Kapazitäten beispielsweise über das Engagement in internationalen Initiativen stärken.

Darüber hinaus empfiehlt der Beirat Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Marktes für Biodiversitätsfinanzierungen – darunter:

 

  • Entwicklung eines verlässlichen Rahmens für Biodiversity Credits
  • Prüfung und Einführung eines Biodiversitäts-Bonds auf Bundes- und Länderebene
  • Förderung von „Blended Finance“-Angeboten über Förderbanken zur Mobilisierung privaten Kapitals für Maßnahmen zum Schutz und zur Renaturierung von Ökosystemen
  • Integration von Biodiversitätskriterien in Unternehmensfinanzierungen

Diese Empfehlungen schaffen die Grundlage dafür, dass Biodiversität als finanzrelevanter Faktor ernst genommen wird – und systematisch in Prozesse, Produkte und Entscheidungen des Finanzmarkts einfließt.

Daten, Metriken und Analysetools: Grundlagen schaffen

Eine zentrale Herausforderung für Unternehmen und Finanzinstitute ist der Zugang zu belastbaren Informationen über biodiversitätsbezogene Auswirkungen und Abhängigkeiten. Zwar wurden in den letzten Jahren zahlreiche Indikatoren, Metriken und Tools entwickelt – doch deren Vielfalt erschwert die Anwendung. Es fehlt an Harmonisierung und Standardisierung.

Der SFB empfiehlt:

 

  • Konkretisierung und Standardisierung von Berichtspflichten zu biodiversitätsbezogenen Aspekten
  • Sicherstellung öffentlich zugänglicher, qualitätsgesicherter Daten
  • Kompetenzaufbau innerhalb von Unternehmen und Finanzinstituten, um Risiken, Auswirkungen und Abhängigkeiten besser zu verstehen und Daten wirksam zu nutzen

Daten allein reichen nicht – sie müssen verständlich und handlungsleitend sein.

Fazit: Handlungsspielräume erkennen – und nutzen

Im internationalen Vergleich zählt Deutschland aktuell nicht zu den Vorreitern bei der Integration von Biodiversitätsaspekten in wirtschaftliche und finanzielle Entscheidungsprozesse. Länder wie Großbritannien oder die Niederlande sind bereits weiter.

Das Diskussionspapier des SFB liefert eine fundierte Grundlage für Veränderung – und adressiert Politik, Finanzmärkte und Realwirtschaft gleichermaßen. Es zeigt: Biodiversität ist wirtschaftlich relevant, strategisch steuerbar und muss in den Mittelpunkt gerückt werden.

Unser Beitrag: Unternehmen Biologische Vielfalt

Viele der Empfehlungen des Beirats spiegeln sich in unserem Projekt wider. Gemeinsam mit Unternehmen entwickeln wir Maßnahmen, wie sich Biodiversität systematisch in Geschäftsmodelle integrieren lässt – auch im Finanzsektor.

Mehr dazu finden Sie auf unserer Finanzen-Themenseite.

Titelbild von Noah Buscher Unsplash

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