In Ihren Vorträgen sprechen Sie von Bäumen mit Burnout. Sind unsere Bäume überarbeitet?
Annette Krop-Benesch: Bei Licht beginnt der Baum mit der Photosynthese. Dabei entstehen freie Radikale. Das sind aggressive Moleküle, die die Zellen zerstören. Bei uns Menschen können sie Krebs auslösen. Bäume zerstören diese freien Radikale im Dunkeln. Wird es nicht mehr dunkel, weil der Baum zum Beispiel neben einer Straßenlaterne steht, macht er nachts einfach weiter mit der Photosynthese. Er kann sich nicht mehr regenerieren. Die Folge ist, dass die freien Radikale die Zellen des Baums angreifen. Die Blätter werden braun und sterben ab. Das entspricht dem, was wir als Burnout kennen: Der Baum arbeitet und arbeitet und kommt nicht mehr zur Ruhe.
Frau Benchekroun, wie beschäftigt Bionade das künstliche Licht und die Folgen?
Lucia Benchekroun: Als Lebensmittelhersteller sind wir abhängig von qualitativ hochwertigen Rohstoffen aus der Natur. Damit genügend Rohstoffe nachwachsen, braucht es die Insekten. Wir versuchen deshalb die Treiber des Biodiversitätsverlusts zu mindern – und dazu gehört auch das Licht.
Wie sieht Ihr Lichtkonzept aus?
Lucia Benchekroun: Licht vermeiden, wo es möglich ist und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Sicherheit durch Licht bieten, wo es notwendig ist. Das ist das Konzept. Unser Standort liegt im UNESCO Biosphärenreservat Rhön. Daher war die Verbindung zum Thema schon lange vorhanden.
Was heißt das für Ihre Leuchten?
Lucia Benchekroun: Wir haben im vergangenen Jahr eine Liste mit all unseren Lichtquellen erstellt und sie nach Standort, Zweck, Leistung, Spezifikation und Farbtemperatur analysiert und ob Bewegungsmelder integriert sind. So haben wir nun Strahler identifiziert, die wir austauschen müssen.
Wer ist an diesem Prozess beteiligt?
Lucia Benchekroun: Zusammen mit der Betriebsleitung, der Arbeitssicherheit und dem Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement werden wir entscheiden, welche Strahler stattdessen zum Einsatz kommen. Wir sind außerdem dabei eine Guideline zu entwickeln, wie Lichtverschmutzung vermieden werden kann. Die stellen wir allen interessierten Unternehmen gerne zur Verfügung.
Wie sieht nun eine insekten- und baumfreundliche Beleuchtung aus?
Annette Krop-Benesch: Es gibt keine insektenfreundliche Beleuchtung, höchstens eine insektenschonende. In die Nacht gehört nur das Licht von Mond und Sternen. Jedes Licht, das wir zusätzlich einbringen, ist problematisch. Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Wohnungsbaugesellschaft hat Insektenhotels aufgestellt. Die Bewohnerinnen und Bewohner sollten die Insekten nachts sehen können, daher wurden die Hotels angeleuchtet. Mittlerweile ist klar: Das ist eine schlechte Idee. Jetzt werden die Hotels nicht mehr beleuchtet. Das ist dann wirklich insektenfreundlich.
Worauf ist zu achten, wenn doch beleuchtet werden soll?
Annette Krop-Benesch: Alles Licht sollte nach unten strahlen. Also keine Kugelleuchten und keine schräg gestellten Scheinwerfer verwenden – und nur so hell wie nötig. Wir brauchen kein tageshelles Licht in der Nacht. Für einen Gehweg reicht eine Beleuchtungsstärke von zwei Lux aus. Das gilt auch für Parkplätze, wobei hier bis zu 70 Lux keine Seltenheit sind. Bewegungsmelder sorgen dafür, dass nur beleuchtet wird, wenn es auch notwendig ist. Außerdem gilt: Je weißer und kälter das Licht, desto mehr schädigt es die Umwelt. Gelb-oranges Licht ist besser. Hier gibt es mittlerweile auch schon LED. Sie verbrauchen allerdings mehr Energie als LED mit weiß-kaltem Licht. Hier müssen wir eine Balance finden.
Auf welche Art der Beleuchtung setzen Sie bei Bionade?
Lucia Benchekroun: Auf unserem Parkplatz kommt gelbliches Licht zum Einsatz, das sich automatisch abschaltet, wenn nicht mehr gearbeitet wird. Außerdem setzen wir auf dem ganzen Produktionsgelände Bewegungsmelder ein. Mittlerweile beleuchten wir auch unser Logo nicht mehr.
Hatten Sie Umsatzeinbußen zu verzeichnen, seit das Logo nicht mehr leuchtet?
Lucia Benchekroun: Nein, ich denke nicht.