Dialogforum von UBi 2025: Wenn Wirtschaft und Biodiversität zusammenspielen

Bild des Autors erstellt am 09.07.2025
von CSCP gGmbH

Stellen Sie sich ein musikalisches Streicherqartett vor. Es spielt Vivaldis „Sommer” aus den „Vier Jahreszeiten” – voller Energie, Struktur und Harmonie. Doch was wäre, wenn die Vögel und Insekten, die dieser Musik einst Leben einhauchten, verstummen würden? Es würden ganze Klangfarben fehlen und die Melodie würde aus dem Gleichgewicht geraten. So beschreibt Sabine Riewenherm den Zustand vieler Ökosysteme. Wenn die Biodiversität schwindet, verliert auch die Musik der Natur ihren Zusammenhalt – mit weitreichenden Folgen, auch für die Wirtschaft.

Am 17. Juni 2025 diskutierten an die 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Naturschutz im Allianz Forum in Berlin darüber, wie Unternehmen die biologische Vielfalt stärken können und warum dies ökologisch wie ökonomisch sinnvoll ist. Die vom UBi-Projektpartner Biodiversity in Good Company organisierte Veranstaltung bot eine Plattform für Austausch, Kooperation und strategische Impulse. Der starke Zuspruch zeigt: Biodiversität wird zunehmend als Wirtschaftsthema anerkannt.

Biodiversität als strategischer Wirtschaftsfaktor

Sabine Riewenherm, die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz (BfN), eröffnete das Forum mit einem eindrucksvollen Grußwort. Sie griff das Klangbild der Natur auf und verwies auf aktuelle Forschungen zur Akustik von Naturräumen. Diese zeigen, dass in degradierten Landschaften „nicht nur einzelne Töne, sondern ganze Partituren fehlen”.

In ihrer Rede machte sie deutlich, dass der Verlust der Biodiversität nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein wirtschaftliches Risiko darstellt: „Fast 50 Prozent der Ökosysteme weltweit sind geschädigt. 25 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht.“ Sie ergänzte, welche Folgen dies für die Wirtschaft hat: „Durch Landdegradierung hat sich die Produktivität auf 23 % der globalen Landfläche verringert.“ Auch die EU-Kommission hat Anfang dieses Jahres eine Studie veröffentlicht, die laut Riewenherm zeigt, dass zwei Drittel der Bruttowertschöpfung in hohem oder mittlerem Maß von der Natur abhängig sind.

Sie rief dazu auf, sich nicht nur die Probleme des Biodiversitätsverlusts zu betrachten, sondern auch ins Handeln zu kommen und die Biodiversität wiederherzustellen. “Das gemeinsame Ziel ist: Naturverträgliche Wirtschaft muss einen signifikanten Mehrwert haben. Für die Wirtschaft, für die Unternehmen, aber auch für die Gesellschaft. Auch das ist die Verantwortung, in der wir ja alle stehen, die wir in dieser Welt leben.”

Zugleich würdigte sie die Nationale Biodiversitätsstrategie (NBS 2030) sowie das Projekt UBi als zukunftsweisende Brücke zwischen Wirtschaft und . Die NBS 2030 bildet den strategischen Rahmen für den Schutz und die Wiederherstellung der biologischen Vielfalt in Deutschland – auch mit Blick auf die Rolle der Wirtschaft. UBi wurde ins Leben gerufen, um diesen Auftrag mit Leben zu füllen und Unternehmen bei der Umsetzung konkret zu unterstützen. Das Projekt zeigt konkrete Wege auf, wie sich Biodiversität in unternehmerisches Handeln übersetzen lässt.

Sabine Riewenherm, die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz (BfN), eröffnete das Dialogforum von UBi mit einem Grußwort. | © Sebastian Höhn

Mehr als nur ein Nischenthema: Biodiversität als Schlüssel für Geschäftserfolg

Die anschließende Podiumsdiskussion machte deutlich, wie eng wirtschaftlicher Erfolg und Biodiversität heute verknüpft sind. Dabei wurden nicht nur Handlungsdruck, sondern auch strategische Perspektiven offenbar. Vier Stimmen beleuchteten das Thema aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und zeigten, wie der Schutz der biologischen Vielfalt zur ökonomischen Notwendigkeit und Innovationsquelle wird. Sie machten deutlich, warum es jetzt darauf ankommt, ins Handeln zu kommen.

Gleich zu Beginn sagte Dr. Jochen Gebauer, Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium: „Schutz und Wiederherstellung der Natur sollte für die Wirtschaft kein Luxus und schon gar kein reiner Kostenfaktor sein, sondern eine notwendige Investition in eine nachhaltige, stabile, resiliente Zukunft.“ Im weiteren Verlauf machte er deutlich, dass freiwilliges Engagement nicht ausreiche. Es brauche klare politische Rahmenbedingungen, beispielsweise in Form von Berichtspflichten und Lieferkettengesetzen. Ordnungsrecht sei, so Gebauer, „gerechter, günstiger, schneller und weniger bürokratisch“.

Iris Franco Fratini, Head of Corporate Affairs bei Ørsted, betonte: „Der Schutz der Biodiversität ist ein ganz wichtiger Teil unseres Geschäftsmodells.“ Sie schilderte, wie das Unternehmen seit mehreren Jahren Biodiversitätsdaten erhebt, diese mit Behörden teilt und neue Standards für das Offshore-Monitoring entwickelt. Für Ørsted ist klar: Klimaschutz und Biodiversität gehören zusammen.

Heike Vesper, Vorständin für Transformation bei WWF Deutschland, brachte es auf den Punkt: „In einer krisengeschüttelten Welt sind naturbewusste Unternehmen, die Biodiversität strategisch adressieren, langfristig erfolgreicher.“ Anhand konkreter Beispiele zeigte sie auf, wie sich Biodiversitätsmanagement in Beschaffung und Risikomanagement auszahlt. „Wenn Sie in Entwaldungsfreiheit investieren, sichern Sie sich bestimmte Dienstleistungen – unter anderem Wasser. Das lohnt sich am Ende.“

Max Kettner vom BVMW wies darauf hin, dass die Bedeutung intakter Ökosysteme „immer noch unterschätzt“ werde, was potenziell gravierende Folgen für Unternehmen und den Wirtschaftsstandort haben könne. Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben oft weder die Kapazitäten noch das Bewusstsein für die Risiken der Biodiversitätskrise. Er plädierte daher für eine breitere Information und niedrigschwellige Angebote.

Trotz unterschiedlicher Perspektiven war eines unüberhörbar: Biodiversität ist wirtschaftlich relevant, strategisch sinnvoll und praktisch umsetzbar. Was dafür nötig ist? Klare Rahmenbedingungen, geeignete Werkzeuge – und der Mut, konkrete Schritte zu gehen.

Podiumsdiskussion beim Dialogforum von UBi 2025 im Allianz Forum Berlin. | © Sebastian Höhn

UBi – Plattform für biologische Vielfalt in der Wirtschaft

Das Projekt „Unternehmen Biologische Vielfalt – UBi“ unterstützt Unternehmen dabei, Biodiversität als Teil ihrer Geschäftsstrategie zu begreifen und konkret zu integrieren. Lotte Hönning, Projektleiterin bei Biodiversity in Good Company, stellte zentrale Formate und Ergebnisse des Projekts vor.

„Wir bauen Brücken zwischen Wirtschaft und Naturschutz sowie zwischen Wissenschaft und Politik“, so Hönning. Dies werde besonders bei diversen Branchen-Biodiversity-Checks, der Integration von Kriterien in Umwelt- und Produktstandards sowie durch branchenübergreifende Netzwerke sichtbar. Ein weiteres Highlight sind die Biodiversitätsbündnisse der DIHK Service GmbH. Hier engagieren sich Unternehmen vor Ort und entwickeln gemeinsam Lösungen. Auch der von Biodiversity in Good Company betreute Unterstützerkreis mit über 40 Wirtschafts-, Umwelt- und Branchenverbänden zeigt: Das Thema ist in der deutschen Wirtschaft angekommen.

Das Projekt UBi wird im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) und dem Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUKN) gefördert. Zu den Projektpartnern zählen die Biodiversity in Good Company, der Global Nature Fund, die Bodensee-Stiftung, das CSCP und die DIHK Service GmbH.

Lotte Hönning, Projektleiterin bei Biodiversity in Good Company, stellte das UBi-Projekt vor. | © Sebastian Höhn

Fachforen: Sechs Perspektiven – ein Ziel

Am Vor- und Nachmittag widmeten sich sechs Fachforen spezifischen Handlungsfeldern: von Reporting und Sustainable Finance über Bau, Automobilbranche und Chemie bis hin zur europäischen Perspektive. In den Diskussionen wurde deutlich: Die Herausforderungen sind komplex, aber es gibt bereits vielfältige Erfahrungen und Ansätze, wie Unternehmen Biodiversität in Strategie, Lieferketten oder Berichterstattung integrieren können.

Einfach machen – gemeinsam handeln

Ob Offshore-Wind, nachhaltiger Kaffeeanbau oder Finanzierungsrichtlinien: Die Beiträge des Dialogforums zeigten eindrucksvoll, wie Biodiversität heute schon Teil wirtschaftlicher Entscheidungen sein kann – und sein muss. Die Dringlichkeit ist da. Die Konzepte auch. Jetzt geht es ums Umsetzen.

„Einfach machen!“ lautete der Appell aus der Diskussion. Und er war mehrfach zu hören. Damit ist gemeint, ins Handeln zu kommen, ohne auf Perfektion zu warten. Biodiversität betrifft alle Branchen und sie eröffnet Chancen: für Innovation, für Resilienz, für Zukunftsfähigkeit. Das UBi-Projekt bietet mit seinen Tools, Netzwerken und Partnern konkrete Unterstützung für Unternehmen, die diesen Weg gehen wollen. Nutzen Sie diese. Suchen Sie den Austausch. Und bleiben Sie dran, denn Biodiversität ist nicht nur Grundlage, sondern auch Verantwortung und Chance.

Fachforum zur Automobilbranche beim Dialogforum von UBi 2025 | © Sebastian Höhn

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