Ideale Biodiversitätskriterien für den Lebensmittelsektor

Bild des Autors erstellt am 20.05.2025
von Bodensee Stiftung

Wissenschaftler*innen, NGOs und Vertreter*innen von Standardorganisationen haben im Rahmen des EU-Forschungsprojekts „CircHive“ einen Idealkatalog von Biodiversitätskriterien für Standards und Beschaffungsregeln für den Lebensmittelsektor entwickelt.

Der Verlust der Biodiversität und der damit verbundenen Ökosysteme zählt neben dem Klimawandel zu den größten globalen Krisen. In Kombination mit dem Agrarsektor haben Lebensmittelproduzenten und Einzelhändler erheblichen Einfluss auf den Erhalt der biologischen Vielfalt. Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts „CircHive“ haben Wissenschaftler*innen, NGOs und Vertreter*innen von Standardorganisationen ein ideales Rahmenwerk für Biodiversitätskriterien für Standards und Beschaffungsregeln im Lebensmittelsektor entwickelt.

Warum sind Biodiversitätskriterien im Lebensmittelsektor wichtig?

Lebensmittelstandards tragen dazu bei, Qualität und Nachhaltigkeit in der landwirtschaftlichen Produktion sicherzustellen. Viele Unternehmen nutzen diese und haben zudem eigene Beschaffungsanforderungen. „Fundierte Biodiversitätskriterien in Lebensmittelstandards und Beschaffungsregeln sind ein wirkungsvolles Instrument, um den Schutz und die Förderung der biologischen Vielfalt im Lebensmittelsektor voranzutreiben“, betont Marion Hammerl, die als Senior Expertin der Bodensee-Stiftung im Projekt CircHive mitarbeitet.

Orientierungshilfe für Lebensmittelunternehmen und Standardorganisationen

Der entwickelte „Ideal Framework for Food & Biodiversity“ ist kein neuer Biodiversitätsstandard für die Zertifizierung, sondern eine praxisnahe Orientierungshilfe für Lebensmittelunternehmen, Standardorganisationen sowie landwirtschaftliche Genossenschaften und Verbände. Er unterstützt dabei, Biodiversitätsaspekte in bestehende Standards und Beschaffungsregeln zu integrieren. Zudem richtet sich der Idealkatalog an politische Entscheidungsträger: Förderprogramme und Subventionsvergaben für die Landwirtschaft sollten Biodiversitätskriterien stärker berücksichtigen.

„Die Umsetzung gewährleistet den grundlegenden Schutz der bestehenden Biodiversität auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, schafft Potenzial für mehr Lebensräume und Arten und trägt dazu bei, negative Auswirkungen landwirtschaftlicher Praktiken auf die Biodiversität zu vermeiden oder zu verringern“, sagt Marion Hammerl. Daher stelle er eine praktische Möglichkeit dar, dazu beizutragen, den dramatischen Verlust der biologischen Vielfalt und der damit verbundenen Ökosystemleistungen zu stoppen.

Inhalt des Rahmenwerks für Ideale Biodiversitätskriterien

Der „Ideal Framework“ besteht aus drei Teilen: Der erste Teil enthält Empfehlungen für die Politik von Standardorganisationen und Lebensmittelunternehmen mit dem Ziel, die biologische Vielfalt in den allgemeinen Zielen und Strategien zu stärken. Die Empfehlungen beziehen sich unter anderem auf den Geltungsbereich der Zertifizierung, den Einsatz von Pestiziden in der gesamten Lieferkette, die Mitigation Hierarchy, die kontinuierliche Verbesserung und die Ausbildung.

Der zweite Teil des „Ideal Framework“ beschreibt Kriterien auf Betriebsebene, die von Standardorganisationen und Unternehmen mit Beschaffungsanforderungen berücksichtigt werden sollten. Die Kriterien wurden entsprechend den fünf Hauptfaktoren für den Verlust der biologischen Vielfalt entwickelt. Sie umfassen den Schutz, die Bewirtschaftung und die Verbesserung der bestehenden biologischen Vielfalt – insbesondere den Schutz von Ökosystemen und Arten. Darüber hinaus zielen die Kriterien für eine sehr gute landwirtschaftliche Praxis darauf ab, Bodendegradation, Übernutzung der Wasserressourcen, Verunreinigung durch Pestizide und Düngemittel usw. zu vermeiden.

Das dritte Kapitel enthält Empfehlungen für die Akteure der Lebensmittellieferkette, insbesondere für Lebensmittelhersteller und Einzelhändler. Unter anderem geht es um Kosten und Finanzierung. „Hohe Umwelt- und Sozialstandards sind eine Investition in die Zukunft. Sie sind jedoch, ebenso wie der Schutz der biologischen Vielfalt, nicht zum Nulltarif zu haben“, betont Dr. Kerstin Fröhle, die ebenso seitens der Bodensee-Stiftung im Projekt arbeitet. „Eine verantwortungsvolle Umsetzung ist in der Regel mit höheren Kosten verbunden. Diese sollten nicht allein dem Landwirt auferlegt werden. Alle Akteure entlang der Lieferkette bis hin zum Lebensmittelproduzenten oder Einzelhändler müssen einen angemessenen Anteil an den Kosten oder Verlusten tragen. Dies ist Teil der unternehmerischen Verantwortung und Sorgfaltspflicht gegenüber den Erzeugern und der biologischen Vielfalt als wertvolles öffentliches Gut“, ergänzt sie.

Unternehmen und Organisationen, die ihre Kriterien/Beschaffungsregeln mit Relevanz für die Biodiversität verbessern möchten, können sich an das CircHive-Team wenden und sich bei diesem Prozess unterstützen lassen (Kontakt: Dr. Kerstin Fröhle). Hier finden Sie den Ideal Framework Food Sector zum Download.

Das Projekt CircHive

CircHive ist ein auf fünf Jahre angelegtes Projekt mit 15 Forschungs- und 10 Fallstudienpartnern. Im Rahmen des Projekts werden strenge und standardisierte Methoden zur Kombination zweier Ansätze zur Bewertung der Natur entwickelt: Biodiversitäts-Fußabdruck und Naturkapitalbilanzierung. Diese beiden Ansätze werden von einer zunehmenden Anzahl von Organisationen genutzt, um die Natur, die ihrer Tätigkeit zugrunde liegt, zu verstehen und zu bewerten. Durch die Kombination dieser Methoden bietet das Projekt einen umfassenderen Ansatz zur Bewertung der Natur und zur Verbesserung der Biodiversitätsleistung.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Webseite der Bodensee Stiftung. Dort finden Sie weitere interessante Inhalte rund um Biodiversität, Landwirtschaft und Insektenschutz.

Titelbild von CircHive

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