Was Unternehmen aus dem „Faktencheck Artenvielfalt“ mitnehmen können
Wie steht es um die biologische Vielfalt in Deutschland – und was bedeutet das für Unternehmen? Der im Herbst 2024 veröffentlichte „Faktencheck Artenvielfalt“ liefert eine umfassende, wissenschaftlich fundierte Bestandsaufnahme zur Biodiversität in Deutschland. Über 70 Autor:innen und eine Vielzahl an Institutionen haben an diesem Werk mitgewirkt. Herausgegeben wurde der Bericht von der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA), gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Herausgekommen ist ein Bericht von 1.258 Seiten – keine leichte Lektüre, aber ein inhaltliches Schwergewicht mit klarer Relevanz für Wirtschaft und Unternehmenspraxis. Denn der Faktencheck beschränkt sich nicht auf die Zustandsbeschreibung. Er bietet Orientierung, macht komplexe Zusammenhänge greifbar und zeigt konkrete Handlungsansätze auf, insbesondere für Akteure aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Wer verstehen will, warum Biodiversität heute als ebenso dringlich wie der Klimaschutz diskutiert wird, findet hier Antworten. Und mehr noch: einen wissenschaftlich fundierten Handlungsrahmen für transformatives Handeln – insbesondere in den Kapiteln 9, 10 und 11.
Ein Kompendium mit Relevanz – auch für die Wirtschaft
Der Bericht untersucht die Entwicklung der biologische Vielfalt in allen Lebensräumen: im Agrarland, im Wald, in Binnengewässern, in Städten, an Küsten und im Boden. Das Ergebnis ist alarmierend: Rund 60 % der untersuchten Lebensraumtypen befinden sich in einem ungünstigen bis schlechten Zustand (S. 37). Die Ursachen sind vielfältig: intensive Landnutzung, Flächenversiegelung, Umweltverschmutzung, invasive Arten und Klimawandel.

Lebensräume im Faktencheck Artenvielfalt | Faktencheck Artenvielfalt (2024), FEdA – Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt, CC BY-NC-ND 4.0
Aber der Faktencheck blickt nach vorne. Er beleuchtet die politischen, rechtlichen, technologischen und gesellschaftlichen Hebel, die existieren, um die Trendwende einzuleiten. Deutlich wird: Auch Unternehmen spielen eine Schlüsselrolle. Denn ihre wirtschaftlichen Aktivitäten beeinflussen die Biodiversität unmittelbar und sind zugleich von funktionierenden Ökosystemen abhängig.
Warum Unternehmen Biodiversität strategisch mitdenken sollten
Der Bericht zeigt: Die Zeiten, in denen Biodiversität ausschließlich als Naturschutzthema betrachtet wurde, sind vorbei. Biodiversität wird zum ökonomischen Faktor. Von der Rohstoffbeschaffung über Produktionsprozesse bis zur Standortentwicklung sind zahlreiche Branchen direkt betroffen.
Aktuell gelten rund ein Drittel der in Deutschland untersuchten Arten als bestandsgefährdet, darunter mehrere Tausend Tier-, Pflanzen- und Pilzarten (S. 53). Besonders kritisch ist die Lage bei Reptilien, Amphibien und vielen Insekten. Für andere Artengruppen, insbesondere solche, die im Boden leben, fehlt es noch an Daten. Dies unterstricht die Dringlichkeit weiterer Forschung.

Wichtige Komponente des Ökosystems: eine Raubfliege. | Foto von Ulrike Leone | Unsplash
Gleichzeitig steigen die regulatorischen Anforderungen. Im Rahmen der EU-Richtlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht (CSDDD) sind Unternehmen zunehmend aufgefordert, ihre Abhängigkeiten und Auswirkungen auf die Biodiversität offenzulegen. Der Faktencheck liefert das hierfür notwendige Vokabular, ordnet Risiken ein und zeigt auf, wie sich diese systematisch reduzieren lassen.
Ein zentrales Plädoyer des Berichts lautet, dass Biodiversität in die betriebswirtschaftliche Bilanz gehört. Ökosystemleistungen, also der Nutzen, den die Natur für Menschen und Unternehmen erbringt, müssen im Rahmen eines umweltökonomischen Berichtswesens sichtbar gemacht werden (S. 96).
Drei Impulse aus dem Bericht, die Unternehmen mitnehmen sollten
- Biodiversität braucht Werte, Visionen und Beteiligung. Der Bericht betont, dass Daten allein nicht genügen. Es braucht einen gesellschaftlichen Wandel. Im Mittelpunkt stehen drei Begründungen für den Schutz biologischer Vielfalt: ihr Eigenwert („Natur für Natur“), ihr Nutzen („Natur für Gesellschaft“) und ihre kulturelle Bedeutung („Natur als Kultur“) (S. 47). Für Unternehmen bedeutet dies, dass Biodiversität kein Add-on ist. Sie ist Teil einer verantwortungsvollen Unternehmenskultur.
- Erfolgreiche Maßnahmen existieren bereits – sie müssen verbreitet werden. Ob Gründächer, Blühflächen, Renaturierungen oder naturbasierte Lösungen: wirksame Instrumente sind bekannt und beschrieben. Unternehmen können auf Bewährtes zurückgreifen oder eine eigene Vorreiterrolle einnehmen. Der Bericht enthält zahlreiche Beispiele für funktionierende Maßnahmen.
- Transformation ist machbar – wenn Unternehmen sie aktiv gestalten. Der Bericht macht deutlich: Für Veränderung braucht es Gelegenheiten, Mitgestaltung und Mut. Gerade in Zeiten multipler Krisen ist strategisches Vorausdenken gefragt. Unternehmen, die Biodiversität systematisch in ihr Nachhaltigkeitsmanagement integrieren, werden von Investoren, Partnern und der Gesellschaft als zukunftsfähig wahrgenommen.
Vom Wissen ins Handeln
Was den „Faktencheck Artenvielfalt“ besonders wertvoll macht, ist sein praxisnaher Ansatz: Er beschränkt sich nicht auf Analysen, sondern zeigt auf, wie Akteure aktiv werden können. Für unternehmerische Entscheider:innen lohnen sich besonders die folgenden Kapitel:
- Kapitel 7: Urbane Räume
- Kapitel 9: Indirekte Treiber der Biodiversitätsentwicklung
- Kapitel 10: Transformationspotenziale zum Erhalt der biologischen Vielfalt
- Kapitel 11: Synthese des Faktencheck Artenvielfalt
Diese Abschnitte bieten fundierte Einblicke, strategische Orientierung und konkrete Anknüpfungspunkte für die Integration von Biodiversität ins Nachhaltigkeitsmanagement. Beide Versionen – Langbericht und Kurzfassung – stehen online zur Verfügung.
Falls Sie lieber ein Video sehen, empfehlen wir Ihnen die Präsentation zur Veröffentlichung des Berichts in Berlin. In rund 40 Minuten erhalten Sie einen kompakten Überblick über die wichtigsten Punkte:
Von der Analyse zur Anwendung: Wie UBi Unternehmen unterstützt
Der „Faktencheck Artenvielfalt“ schafft die wissenschaftliche Grundlage. Doch wie wird aus Wissen wirksames Handeln? Genau hier setzt UBi – Unternehmen Biologische Vielfalt an. Als zentrale Anlaufstelle für Unternehmen unterstützt UBi diese dabei, Biodiversität strategisch zu integrieren und konkrete Maßnahmen umzusetzen.
Kern des Angebots sind die drei aufeinander aufbauenden Tools. Der Signifikanz-Check ermöglicht eine schnelle Ersteinschätzung zur Relevanz der Biodiversität für das eigene Unternehmen. Der Biodiversity Quick Check ist ein dialogorientierter Workshopansatz, mit dem sich erste Maßnahmen systematisch entwickeln lassen. Der Biodiversity-Check liefert schließlich eine umfassende Analyse der Wechselwirkungen zwischen Unternehmen und Biodiversität nklusive einer konkreten Ziel- und Maßnahmenplanung. Mehr Informationen zu den drei Tools finden Sie hier.
Doch UBi geht noch weiter. Unternehmen werden nicht nur fachlich begleitet, sondern auch über das Dialogforum von UBi, digitale Fachformate und den Unterstützerkreis vernetzt. Diese fördern den Austausch und Wissenstransfer. Durch lokale Biodiversitätsbündnisse entstehen zudem gemeinsame Strategien und neue Impulse. Vielleicht auch in Ihrer Region.
Die Umsetzung beginnt im eigenen Unternehmen. Nutzen Sie den Moment. Machen Sie den ersten Schritt.
Titelbild von Ulrike Leone | Unsplash