Von der Berichterstattung zur Biodiversitätsstrategie: Reporting als Chance für Unternehmen

Bild des Autors erstellt am 16.04.2025
von Biodiversity in Good Company Initiative e.V.

Unternehmen stehen zunehmend vor der Herausforderung, ihre Umwelt- und Nachhaltigkeitsleistungen transparent darzustellen. Insbesondere das Thema Biodiversität rückt dabei immer stärker in den Fokus – nicht zuletzt durch regulatorische Vorgaben wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder die EU-Taxonomie-Verordnung. Doch die Berichterstattung ist mehr als nur Pflichterfüllung: Sie kann als strategisches Instrument genutzt werden, um Biodiversität gezielt in Unternehmensprozesse zu integrieren und langfristige Vorteile zu sichern.

Wie das in der Praxis funktioniert, berichten Loreen Wachsmuth, Nachhaltigkeitsmanagerin, und Kerstin Kowtsch, Umweltmanagementbeauftragte, von den Berliner Wasserbetrieben. Sie teilen ihre Erfahrungen nicht nur hier, sondern geben auch auf dem Dialogforum von UBI am 17. Juni im Vormittagsprogramm einen tieferen Einblick, wie Unternehmen das Thema Reporting sinnvoll nutzen können.

Warum ist Biodiversitäts-Reporting für Unternehmen heute wichtiger denn je?

Laut der Europäischen Zentralbank gehen 75 % der in Europa vergebenen Kredite an Unternehmen, die von mindestens einer Ökosystemleistung abhängig sind. Gleichzeitig warnte der Chef der Allianz-Versicherung, Günther Thallinger, im April dieses Jahres davor, dass die Schäden der Klimakrise bald nicht mehr versicherbar sein werden und damit die Finanzstabilität gefährden. Und auch das Weltwirtschaftsforum nennt in seinem diesjährigen Risikobericht unter den Top 5 Risiken für die globale Wirtschaft wieder vier ökologische – der Biodiversitätsverlust und der Zusammenbruch der Ökosysteme steht auf Platz 2! Das zeigt: Ökologische Themen sind für Unternehmen kein Nice-to-have, sondern die Basis für ihr wirtschaftliches Fortbestehen.

Klimakrise und Biodiversitätsverlust müssen als Zwillingskrise verstanden und gemeinsam angegangen werden. Ohne Natur funktioniert auch die Wirtschaft nicht. Das sehen wir schon heute, etwa wenn die Rhein-Schifffahrt immer öfter aussetzen muss, weil der Fluss zu wenig Wasser führt, wenn Lebensmittel wie Kaffee und Kakao teurer werden, weil die Klimakrise empfindliche Pflanzen unter Stress setzt, wenn der Boden durch anhaltende Dürren und zunehmende Überdüngung seine vorgesehene Speicher- und Reinigungsfunktion für Wasser verliert etc.

Welche Herausforderungen gibt es beim Biodiversitäts-Reporting?

Oft fehlen noch gute Möglichkeiten, die Auswirkungen von Unternehmen auf die Biodiversität wirklich messbar zu machen und auch die Leistungen zur Wiederherstellung von Biodiversität sinnvoll zu quantifizieren. Im Klimabereich gibt es dies z. B. mit der Berechnung der Treibhausgasemissionen nach Scope 1-3 oder der Umrechnung der Klimawirkung der eigenen Geschäftstätigkeit in Grad Celsius (XDC-Modell). So ein griffiger Wert fehlt beim Biodiversitätsreporting. Das heißt, dass auch hier qualitativ gearbeitet werden muss, was entsprechendes Wissen über ökologische Zusammenhänge voraussetzt. Dieses Wissen muss in den Unternehmen oft erst aufgebaut – zumindest aber erweitert werden: Was hat bspw. Biodiversität mit der Finanzstabilität der Märkte oder mit der Lieferkette des eigenen Unternehmens zu tun? Nur wenigen dürfte bewusst sein, wie sehr die Abhängigkeit von Ökosystemleistungen auch ökonomische Implikationen für sie hat.

Der Vorteil des Biodiversitäts-Reporting ist: Es zwingt die Unternehmen endlich, sich systematisch mit den eigenen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen mit der Natur auseinanderzusetzen. Leider haben Auswertungen der ersten veröffentlichten CSRD-Berichte gezeigt, dass viel zu viele das Thema Biodiversität als nicht wesentlich eingestuft haben. Das ist absolut nicht nachvollziehbar und liegt unserer Meinung nach an einer eklatanten Wissenslücke zum Thema.

Wasserwerk Tegel | © Berliner Wasserbetriebe

Wie können Unternehmen Reporting als Chance nutzen, um Biodiversität in ihre Strategie einzubinden?

Der Vorteil des Berichtsprozesses liegt in der systematischen und intensiven Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsthemen. Gerade die CSRD mit ihrem Ansatz der doppelten Wesentlichkeitsanalyse verpflichtet die Unternehmen dazu, sich eine breite Palette von Aspekten aus dem Themenfeld Biodiversität und Ökosystemleistungen auseinanderzusetzen, so dass blinde Flecken aufgedeckt werden können. Dafür sollte man diesen Ansatz aber auch richtig für sich als Unternehmen nutzen und Reporting nicht nur als Compliance-Übung verstehen. So können Risiken und Chancen rechtzeitig erkannt und gesteuert werden. Damit hat die CSRD und das Reporting immer auch eine strategische Komponente.

Welche Good Practices haben Sie bei den Berliner Wasserbetrieben etabliert?

Wir haben das Umweltmanagementsystem EMAS (Eco Management and Audit Scheme) bei den Wasserbetrieben eingeführt. EMAS bietet einen Rahmen für die Ermittlung, die Bewertung und das systematische Management (inkl. Ziele und Maßnahmen) von Umweltaspekten und -auswirkungen und bietet damit eine sehr gute Grundlage für die Berichterstattung nach der CSRD. Managementsysteme wie EMAS unterstützen Unternehmen dabei, Ziele kontinuierlich zu verfolgen und zu erreichen und ihre Umweltleistung somit kontinuierlich zu verbessern. Die CSRD verweist in ihren Anforderungen an die Berichterstattung zu Umweltthemen explizit auf die Möglichkeit, Synergien mit EMAS zu nutzen, was wir auch gemacht haben.

Welche Empfehlungen würden Sie Unternehmen geben, die ihr Biodiversitäts-Reporting verbessern möchten?

Nutzt auf jeden Fall bestehende Tools zur Identifizierung möglicher Risiken, Auswirkungen und Abhängigkeiten, wie bspw. die Encore Datenbank, den WWF Biodiversity Risk Filter oder den WWF Water Risk Filter sowie Klassifizierungen wie die von CICES zu Ökosystemleistungen (alle auch in kostenlosen Versionen gut nutzbar). Zudem gibt es mittlerweile viele hilfreiche Leitfäden, bspw. auch mit Bezug zu EMAS wie z. B. „EMAS und Biodiversität 2023 – Schutz der biologischen Vielfalt im Rahmen von Umweltmanagementsystemen“ von der Bodensee-Stiftung und dem Global Nature Fund. Es gibt auch zielgruppenspezifische Handreichungen, um das Thema ins Unternehmen zu tragen, bspw. für Aufsichtsräte. Aus diesen verschiedenen Quellen lassen sich viele nützliche Informationen für die eigene Berichterstattung und für das Aufsetzen effektiver Steuerungsprozesse ziehen. Darüber hinaus empfehlen wir allen, auch zu lesen, was der Finanzmarkt zum Thema sagt, denn auch hier gibt es mittlerweile wichtige Positionierungen, Berechnungen und Empfehlungen. Diese Infos können vor allem für Vorstände und in der Bewertung möglicher Risiken wichtig sein. Und was wir auch für wichtig halten, ist der Wissensaustausch mit anderen und das Netzwerken – gerade weil im Reportingbereich zu Biodiversität noch viel im Aufbau und in der Entwicklung ist und wir so zumindest alle voneinander lernen können, um schneller einen positiven Impact zu generieren. 

Fazit: Reporting als Einstieg in eine biodiversitätsfreundliche Zukunft

Biodiversitäts-Reporting kann mehr sein als eine reine Pflichterfüllung – es bietet Unternehmen die Chance, Umweltaspekte gezielt in ihre Strategie zu integrieren. Eine Bestandsaufnahme ist ein guter erster Schritt, um eigene Wechselwirkungen mit der Natur zu erkennen. Dabei hilft es, biodiversitätsrelevante Kennzahlen zu definieren und Reporting als Ausgangspunkt für Maßnahmen zu verstehen. Vor allem aber lohnt es sich, von anderen Unternehmen zu lernen.

Auf dem Dialogforum von UBi teilen in diesem Jahr Loreen Wachsmuth und Kerstin Kowtsch ihre Erfahrungen aus der Praxis und geben konkrete Einblicke, wie Unternehmen das Thema strategisch angehen können.

Melden Sie sich jetzt für das Dialogforum von UBi hier an.

 

Interviewpartnerinnen:

Loreen Wachsmuth

Nachhaltigkeitsmanagerin der Berliner Wasserbetriebe

Loreen Wachsmuth | © Berliner Wasserbetriebe

Kerstin Kowtsch

Umweltmanagementbeauftrage der Berliner Wasserbetriebe

Kerstin Kowtsch | © Berliner Wasserbetriebe

 

Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit dem CSCP entstanden.

Titelbild: Copyright Berliner Wasserbetriebe

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