Zwischen Taschen und Rucksäcken vermutet man nicht unbedingt einen leidenschaftlichen Naturschützer. Doch Armin Halfar, Geschäftsführer des Taschen- und Rucksackherstellers Halfar System GmbH in Bielefeld, belehrt uns eines Besseren. Wo früher kahle Dächer und sterile Rasenflächen das Bild bestimmten, summt und blüht es heute auf begrünten Dächern und naturnah gestalteten Außenflächen. Was 2013 mit der Begrünung des ersten Firmendachs aus ästhetischen Gründen begann, hat sich längst zu einem umfassenden Konzept entwickelt – mit überraschenden Effekten für Umwelt, Mitarbeitende und Unternehmensstrategie.
Er berichtet, wie wertvolle Lebensräume entstanden sind, warum scheinbar kleine Details wie heimische Pflanzen den Unterschied machen und warum er klare Vorgaben für den Naturschutz fordert. Dieses Interview ist eine Einladung, genauer hinzuschauen: auf grüne Dächer, wilde Ecken und die vielen Möglichkeiten, wie auch Unternehmen eine blühende Zukunft gestalten können.
Wenn man sich mit Menschen aus der Region Bielefeld unterhält, kennen viele ihren Namen und bringen Sie mit Naturschutz in Verbindung. Nicht unbedingt üblich, wenn man an einen Taschen- und Rucksack-Hersteller denkt. Was hat sie 2013 bewogen, Ihr erstes Firmendach zu begrünen?
Das erste Dach haben wir im Rahmen einer Erweiterung unseres Firmengebäudes begrünt. Wir wussten, dass begrünte Dachflächen eine längere Lebensdauer haben, weil die Dachbahnen der Sonne und Kälte nicht unmittelbar ausgesetzt sind. Eine Begrünung reduziert die Temperaturschwankungen der Dachhaut enorm. Außerdem hatten wir die Wahl beim Blick aus dem Showroom zukünftig auf schwarze Teerpappe zu blicken oder halt auf etwas Grünes.
Nachhaltige Aspekte, wie die Förderung der Biodiversität und der Rückhalt von Regenwasser, spielten für uns damals, aus Unwissenheit, noch keine Rolle.
Hat bei Ihrem ersten Durchgang schon alles funktioniert?
Diese erste Fläche ist heute die „schwächste“ unserer Flächen. Wir wussten damals noch zu wenig über Dachbegrünungen. Der Substrataufbau war zu gering und die Pflanzen nicht standortheimisch, sodass es dort zwar blüht und summt, die Fläche sich aber fast nur an die Generalisten unter den Insekten richtet. Wir planen die Fläche im kommenden Jahr komplett zu überarbeiten und den Mehrwert für die Natur zu erhöhen. Unsere zweite Dachfläche wurde dann 2018 nach einer Flachdachsanierung als Insect-Respect-Kompensationsfläche angelegt. Das Dach ist heute unser Vorzeigedach. Die Planung hat ein fachkundiger Biologe und Biodiversitätsplaner vorgenommen und das hat sich wirklich ausgezahlt.
© Halfar System GmbH
Es blieb nicht bei den begrünten Dächern. Was haben Sie parallel dazu auf dem Firmengelände getan?
Wir decken inzwischen unterschiedlichste Lebensräume auf dem Betriebsgelände ab. Bei der Bepflanzung wird Sachverstand benötigt. Es passiert zu schnell, dass im Bau- und Gartenmarkt vermeintlich insektenfreundliche Saatgutmischungen, Stauden und Kleinsträucher angeboten werden. Da hängen bunte Plastiketiketten mit fröhlichen Schmetterlingen oder Bienen an „Schmetterlingsflieder & Co.“ und die Käufer sind überzeugt, etwas Gutes für die Biodiversität zu tun. Das Gegenteil ist der Fall. Warum das so ist, muss man erst einmal verstehen.
Gab es besondere Herausforderungen bei der Umsetzung der Dachbegrünung?
Auf den Dächern geht es zunächst immer um die Statik, um die Belastbarkeit. Ein „gutes“ Gründach mit 15-20 cm Substrat Aufbau bringt eine zusätzliche Auflast von bis zu 150 KG/m² mit sich. Das muss vorher mit der Statik des Gebäudes abgeklärt sein. Es gibt auch Leichtbaulösungen mit deutlich weniger Gewicht, aber das sind dann eher flache Blumenkästen mit wenig Substrat, die auf die Fläche gestellt werden. Alles besser als nichts, aber es macht meines Erachtens dann mehr Sinn, den Fokus aufs Firmengelände zu verlagern – sofern da noch Potentiale sind.
Was hat Ihnen auf dem Weg zu einem naturnahen Firmengelände am meisten geholfen?
Es ist gar nicht so schwer, wertvolle Flächen zu schaffen, aber es gibt ein paar Dinge, die man verstehen muss. Warum gibt es Blüten im Garten auf denen nie ein Insekt landet, während andere Blüten ununterbrochen angeflogen werden? Warum haben Honigbienen nichts mit Artenvielfalt zu tun? Warum brauchen wir keine Insektenhotels? Warum sind nährstoffarme, abgemagerte Flächen so wertvoll? Diese Fragen kann ich heute alle beantworten, da ich über die Zeit viel mit Biodiversitätsplanern und Biologen gesprochen habe.
© Halfar System GmbH
Ab wann hat sich das Projekt für Sie amortisiert?
Das kann ich nicht sagen. Aber wir wissen, dass die Dachhaut unter der Begrünung rund ein Drittel länger halten wird. Wir wissen, dass das Raumklima unter dem Gründach besser ist und ein Gründach dämmt. Wir wissen, dass all unsere Maßnahmen auch dem Employer-Branding dienen. Die Vorteile sind also nicht nur – aber auch – monetär.
Blick in die Zukunft: Was brauchen Unternehmer, um die Biodiversität weiter zu fördern bzw. ihr weniger zu schaden?
Bei Halfar konzentrieren wir uns vor allem auf die Gestaltung von Unternehmensflächen, da das im Optimalfall zwei positive Auswirkungen hat. Zum einen wird durch gut gestaltete Flächen die Biodiversität direkt gefördert und zum anderen haben diese Maßnahmen einen Einfluss, eine Vorbildfunktion auf die Mitarbeitenden und die Stakeholder eines Unternehmens. Wir bekommen oft tolles Feedback aus der Belegschaft und wissen, dass sich das Bewusstsein bei den Mitarbeitenden und deren Familien geändert hat. Sei es auf dem Balkon, wo nun statt Geranien heimische Kräuter blühen oder in den Gärten, wo eine begrünte Trockenmauer, eine Benjeshecke oder ein Tümpel mit stehendem Wasser angelegt wurden. Unternehmer sollen auch wissen, dass naturnahe Flächen in der Anlage nicht mehr kosten als konventionelle und im Unterhalt sogar preiswerter sind.
Warum sind Sie dann noch die Ausnahme und nicht die Regel?
Wir brauchen in den Bauvorschriften klare Vorgaben zur naturnahen Gestaltung von gewerblichen Außenanlagen. Und das sage ich nur ungern, da ich kein Freund von zu viel Vorschriften bin. Wenn ich durch neue Gewerbegebiete fahre und sehe, dass vor einem Neubau eine 1.000 m² große Fläche mit kurz gemähten Rasen angelegt wurde und dieser mit einer Kirschlorbeerhecke eingefasst wird, so schaudert es mich, da das eine nahezu tote, sterile und für die Biodiversität verlorene Anlage ist. Für Apelle und gutes Zureden ist das Artensterben schon zu weit fortgeschritten. Wir brauchen wie in der Schweiz Verkaufsverbote für invasive Neophyten und klare Vorgaben zur naturnahen Gestaltung von gewerblichen Außenanlagen!
Interviewpartner:
Armin Halfar
Geschäftsführer der Halfar System GmbH
Ludwig-Erhard-Allee 23
33719 Bielefeld
Deutschland
© Halfar System GmbH