Ein sanfter Wind weht durch die dichten Regenwälder Indonesiens, in denen hohe Rattanpalmen stehen. Aus diesen Wäldern kommt das Material, das das junge Start-up Karuun aus dem schwäbischen Kißlegg zur Grundlage für sorgfältig hergestellte und umweltfreundliche Produkte gemacht hat. Das Unternehmen verbindet moderne Technik mit der natürlichen Schönheit von Rattan zu einem Werkstoff, der sowohl in der Architektur als auch im Automobilbereich neue Maßstäbe setzt.
Wir sprachen mit Felix Horn, Managing Director der out for space GmbH, über die Vision von Karuun, die Herausforderungen nachhaltiger Beschaffung und ihre Pläne für die Zukunft. Erfahren Sie, wie aus einem „versteckten Schatz“ eine nachhaltige Lösung wurde und welche Empfehlungen das Team für Unternehmen hat, die ebenfalls auf Nachhaltigkeit setzen wollen.
Karuun ist nicht nur der Name Ihres Unternehmens, sondern auch der Name Ihrer Produkte. Was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff und wie unterscheidet sich Karuun von anderen Materialien auf dem Markt?
Karuun ist abgeleitet vom indo-malayischen Ausdruck „harta karun“ und bedeutet „versteckter Schatz“. Denn Karuun wird nicht nur aus einem Material gewonnen, das enormes Potenzial in der Verarbeitung birgt, sondern bringt Wirtschaftlichkeit, soziale und ökologische Interessen auf eine Stufe.
Karuun ist das erste Rattan Furnier, das mit innovativen Oberflächen höchste ästhetische Maßstäbe setzt und unendliche Freiheit in der Verarbeitung bietet. Die natürliche, lineare Maserung wird durch eine individuelle Farbgebung verstärkt, was nicht nur die ästhetische Homogenität des Nature Tech Materials betont, sondern auch dazu beiträgt, dass keine sichtbaren Übergänge entstehen, wie es bei Furnieren sonst häufig der Fall ist. Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Materialien auf dem Markt sind die hervorragenden Materialeigenschaften bei erstaunlich geringem Gewicht. Unser Rattan Furnier überzeugt durch eine nie dagewesene (dreidimensionale) Formbarkeit sowie Reißfestigkeit in vielen Anwendungsbereichen. Darüber hinaus verfügt Karuun über einzigartige Eigenschaften wie das Durchscheinen und Hinterleuchten, was es zum Pionier natürlicher Alternativen zu künstlichen Oberflächen macht. Besonders im Automotive- sowie Architektur- und Konsumgüterbereich wird das Nature Tech Material eingesetzt.
Für immer mehr Unternehmen spielen entwaldungsfreie Lieferketten und die Nachhaltigkeit der verwendeten Produkte und Rohstoffe eine immer größere Rolle. Welche Schritte haben Sie unternommen, um sicherzustellen, dass Ihre Lieferkette diesen Standards entspricht, und was waren die größten Herausforderungen dabei?
Zum einen gibt es in Indonesien, dem Herkunftsland unseres Rohmaterials Rattan, sehr strenge Richtlinien in Bezug auf die Ernte und Nachverfolgbarkeit von Hölzern und Nicht-Holzprodukten wie Rattan. Über lokal begrenzte Erntelizenzen wird sichergestellt, dass die Ernte nachhaltig gestaltet wird und pro Jahr nur gewisse Bereiche zur Ernte von Rattan genutzt werden. Somit wird zusätzlich zum schnellen Wachstum von Rattan sichergestellt, dass genügend Rohmaterial vorhanden ist.
Weiterhin wächst Rattan nur in intaktem, biodiversem Regenwald als Palmenart. Eine Kultivierung in Monokulturen ist nicht möglich. Aus diesem Grund ist Rattan ein Paradebeispiel für entwaldungsfreie Lieferketten, da entweder bestehender Regenwald für die Anpflanzung benötigt wird oder Wald aufgeforstet werden muss, in welchem zusätzliches Rattan gepflanzt werden kann. Da durch die Ernte von Rattan eine ökonomisch interessante und ökologisch sinnvolle Nutzung des Waldes ermöglicht wird, ohne diesen abzuholzen, erfährt unser Konzept national und international Beachtung.
Wir verstehen es als unsere Aufgabe und Herausforderung dieses einzigartige Prinzip zum Schutz der Regenwälder unseren Kunden nahe zu bringen, da durch die Nutzung von Produkten aus Karuun etwas positives bewirkt wird (mehr Rattan = mehr Regenwaldschutz).

© Anna-Katharina-Jansen
Wie stellen Sie vor Ort sicher, dass die Anforderungen an eine biodiversitätsfreundliche Bewirtschaftung der Flächen – sowie andere Nachhaltigkeitskriterien – eingehalten werden?
Schon seit Beginn steht die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien für uns im Fokus. Obwohl wir aufgrund der Größe der Firma nicht unter regulatorische Richtlinien in Bezug auf die Lieferkette fallen, begrüßen wir diese Initiativen. Soziale und teilweise auch ökologische Nachhaltigkeitskriterien regeln wir deshalb in einem Lieferantenkodex. Die Einhaltung des Kodexes auditieren und kontrollieren wir zusammen mit unserem Lieferanten.
Weiterhin haben wir im Jahr 2020 ein develoPPP Programm zusammen mit der GIZ und unserem indonesischen Lieferanten ins Leben gerufen. Dieses Projekt mit einem Volumen von 800.000 € verfolgt den Zweck „Strengthening the sustainability of the rattan supply chain“ und thematisiert in Arbeitspaketen wie Inventory Management, Harvesting Management Plan, Digitale Transparenz in der Lieferkette sowie Messung der Biodiversität verschiedene Maßnahmen zur Stärkung und Etablierung der Nachhaltigkeit und Biodiversität. Im Mai 2024 wurde dieses Projekt beendet und wir konnten aufzeigen, dass eine Rattan-Lieferkette etabliert werden kann, die soziale, ökologische und wirtschaftliche Interessen verbindet und zeigt, dass regeneratives Forest Management mit Rattan in Zusammenarbeit mit der Waldbevölkerung – den „Rattan Rangers“ – erfolgreich funktionieren kann und somit Vorreiter einer Bioökonomie in Indonesien ist.

© karuun®
Welche Empfehlungen haben Sie für Unternehmen, die sich gerade erst mit der Nachhaltigkeit ihrer Rohstoffe beschäftigen? Welche ersten Schritte und Strategien halten Sie für besonders wichtig?
Grundsätzlich halte ich die Orientierung an nationaler oder europäischer Gesetzgebung für sinnvoll, da diese auch als Leitfaden für die Untersuchung der Nachhaltigkeit, z.B. von Rohstoffen genutzt werden kann. So schreibt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beispielsweise eine Risikoanalyse vor, auf Basis derer die Herkunftsländer von Rohstoffen analysiert und potenzielle Risiken diesbezüglich detektiert werden können. Durch Präventionsmaßnahmen können anschließend Maßnahmen gegen mögliche Problemstellen getroffen werden.
Welche Aufgaben oder Vorhaben stehen für Ihr Unternehmen in naher Zukunft an, um die Biodiversität weiter zu fördern und welche langfristigen Ziele haben Sie sich gesetzt?
Durch Abschluss des develoPPP Programms haben wir einen großartigen Grundstein gelegt und verschiedene Maßnahmen pilotiert und angestoßen. Nun gilt es diese Projekte, z.B. die Nachverfolgbarkeit des Rattans via „Rattan Trace App“ von der Anpflanzung über Ernte bis zur Produktion von Karuun und Auslieferung an die Kunden in den Serienprozess einzugliedern. Zusätzlich pilotieren wir aktuell die Messung von Biodiversität in den Rattanerntegebieten auf Basis von KI in Partnerschaft mit Biometrio. Dies soll uns ermöglichen den Impact von Rattanpflanzung auf die Biodiversität des Regenwaldes zu quantifizieren. All dies trägt zu unserer langfristigen Vision bei, die regenerative Materialrevolution im Einklang mit der Natur gemeinsam zu gestalten.
Über Karuun
Die karuun GmbH bildet mit dem Schwesterunternehmen out for space GmbH ein interdisziplinäres Team, welches 2015 in Kißlegg gegründet wurde. Durch die Verbindung von Forschung und Gestaltung geht der Unternehmensverbund einen neuen Weg in der Entwicklung nachhaltiger Materialien. Die Vision: eine regenerative Materialrevolution im Einklang mit der Natur. Als organische Antwort auf Plastik findet das Nature Tech Material karuun® seinen Einsatz unter anderem in nachhaltigen Mobilitätskonzepten und ökologischen Bauprojekten. Dabei legt das Unternehmen höchsten Wert darauf, dass Umweltziele, soziale Verantwortung und wirtschaftlicher Erfolg auf einer Ebene stehen. Das zeigt sich in Kosten-, Energie- und Ressourceneffizienz sowie gleichberechtigten Partnerschaften entlang der gesamten Wertschöpfungskette, aber auch in Initiativen, welche die Arbeits- und Lebensbedingungen für Rattanbauern verbessern, tropische Wälder erhalten und CO2 aktiv aus der Atmosphäre entfernen.